Klimabrief aus Kenia

In der Serie „Klimabriefe“ berichten Partner unserer Mitgliedsorganisationen aus verschiedenen Ländern der Welt über die spürbaren Folgen des Klimawandels in ihren Regionen. Sie erzählen, wie sie sich für den Klima- und Umweltschutz einsetzen, welche Erfolge sie erzielt haben und welchen Herausforderungen sie begegnen.

Überflutungen in Kenia © Mr. Julius Rasat / Wangu Kanja Foundation

Das Projekt, das zur richtigen Zeit kam
und uns wieder ein Leben in Würde ermöglichte

Liebe Leser:innen,

mein Name ist Beth*. Ich bin eine 18 Jahre junge Mutter aus der Siedlung Mathare in Nairobi, Kenia. Einst liebte ich das Tanzen, traditionelle und auch moderne Tänze. Weil es bei der Geburt meiner Tochter zu Komplikationen kam, musste ich das Tanzen aber aufgeben. Ich bin Überlebende sexueller Gewalt.

Seit ich mich erinnern kann, leben wir am Ufer des Mathare Rivers. Im Frühjahr 2024 trafen heftige Regenfälle Mathare und weite Teile Kenias, und verwandelten sich in gefährliche Fluten. Mehr als 6.000 Haushalte wurden in Mathare geräumt, nachdem die Regierung die Anweisung erteilt hatte, das Land entlang des Flussufers zu verlassen. Wir haben all unser Hab und Gut verloren, unsere Häuser – alles. Auch einige Menschen verloren ihr Leben. Laut Regierungsberichten starben allein in Mathare 13 Menschen, darunter eine*r meiner engsten Freund*innen. Wir hatten nichts, an dem wir uns hätten festklammern können, und wir mussten unser Leben von Grund auf neu aufbauen. Der Umgang seitens Regierung und Autoritäten mit der Situation machte uns sehr wütend und verbittert. Sie waren nicht ansprechbar. Wenig Unterstützung kam zu uns durch. Die Fluten ließen viele Familien einfach mittellos zurück.

Während der Überschwemmungen erlebte ich sexuelle Gewalt, als ich Zuflucht im Haus von Freund*innen gesucht habe. Heute lebe ich mit meiner Mutter, meiner einjährigen Tochter und meinen vier Geschwistern zusammen. Unser Alltag ist von Härte geprägt. Meine Erlebnisse werden für mich immer eine schreckliche Erinnerung daran sein, wie die Klimakrise vulnerable Gemeinschaften zusätzlich erdrückt.

Aber ich habe mich dazu entschieden, meinen Schmerz in etwas Nützliches zu verwandeln, indem ich meine Stimme für den Umweltschutz und Nachhaltigkeit in meiner Gemeinschaft erhebe.

Unterstützung dafür habe ich durch das vom Bündnis Entwicklung Hilfe finanzierte Projekt Urban Flood Response erhalten. Um mit den Folgen der Unwetter umzugehen, erhielt ich psychosoziale Unterstützung. Mir wurde dabei geholfen, meinen Stress zu bewältigen und meine Widerstandsfähigkeit wieder aufzubauen. Ich konnte innerlich heilen. Außerdem erhielt ich ein Set, das unter anderem Seife, Waschmittel, wiederverwendbaren Damenbinden und Handtücher enthielt. Ich teilte es mit meinen Geschwistern und Freund*innen.

Die Unterstützung durch das von Oxfam und der Wangu Kanja Foundation durchgeführte Projekt war ebenfalls eine große Hilfe. Meine Familie und ich konnten eine neue Unterkunft mieten, die etwas weiter vom Fluss entfernt liegt, und Kleidung sowie Lebensmittel für uns alle kaufen. Die Unterstützung kam genau zur richtigen Zeit, da die Regierung ihre zugesagte Hilfe nicht eingehalten hatte.

Die Überschwemmungen in Kenia im Frühjahr 2024, verstärkt durch das Klimaphänomen El Niño, forderten mehr als 210 Todesopfer. Mehr als 165.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen, nachdem das kenianische Innenministerium Zwangsevakuierungen für Gebiete mit 178 überfüllten Staudämmen und Wasserreservoirs anordnete. Besonders dramatisch war ein Dammbruch im Rift Valley, bei dem 50 Menschen ums Leben kamen.

Die heftigen Regenfälle verwandelten wichtige Verkehrswege wie die Mombasa Road in Nairobi in Flusslandschaften und trafen auch die ärmsten Viertel, wie das Slum Mathare. Human Rights Watch kritisierte die Regierung für mangelnde Vorsorge trotz früherer Warnungen. Erst Wochen nach Beginn der Regenzeit wurde ein Krisenstab eingerichtet. Die Katastrophe unterstreicht die dringende Notwendigkeit, Kenias Katastrophenvorsorge und Infrastruktur angesichts wiederkehrender El-Niño-Phasen zu verbessern.

Für mich geht es beim Thema Umwelt nicht nur um globale oder regionale Ziele; es geht um Familie, Freund*innen sowie die Gesundheit und Sicherheit meiner Gemeinschaft. Die Überschwemmungen im Frühjahr haben unser Leben in jeder Hinsicht verändert: Wir hatten kein Zuhause mehr, Menschen lebten in Notunterkünften, es gab kaum Zugang zu Nahrung und Kinder waren Krankheiten ausgesetzt. Jetzt ist klar, dass die Klimakrise kein fernes Problem ist – sie ist hier und sie ist jetzt.

Aktuell arbeite ich daran, gegen Plastikverschmutzung in meiner Gemeinschaft vorzugehen, um unsere Umwelt sauber zu halten und der Klimakrise entgegenzuwirken. Ich glaube, wenn wir Plastik reduzieren, wiederverwenden und recyceln, schützen wir langfristig die Menschen, die wir lieben. Plastik gelangt an Orte, die letzten Endes jeden Aspekt unseres Lebens beeinträchtigen – von der Gesundheit über den Zugang zu Ressourcen bis hin zum Klima und zur Umwelt. Ich bin mir bewusst, dass gemeinsame Bemühungen zu bedeutenden Veränderungen führen können. Deshalb habe ich es mir zum Ziel gesetzt, in meiner Gemeinschaft Maßnahmen voranzutreiben, die die Klimakrise adressieren und Mathare zu einem sichereren und gesünderen Ort für alle machen.

Manchmal neige ich dazu zu denken, dass ich nicht sexuell attackiert worden wäre, wenn es die Überschwemmungen nicht gegeben hätte. Mein Wunsch ist, dass alle ihren Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten, um andere Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt zu schützen.

Die Medien sind ein unverzichtbarer Partner im Kampf für Klimagerechtigkeit. Wenn sie genutzt werden, um Menschen darüber aufzuklären, was der Klimawandel ist und welche Auswirkungen er auf Gemeinschaften wie unsere hat, wären vielleicht mehr Menschen motiviert zu handeln. Ich wünsche mir, dass die Medien auch auf Mathares Probleme aufmerksam machen, die meiner Meinung nach oft übersehen werden, um das Bewusstsein für Umweltprobleme, die meine Gemeinschaft erlebt, zu stärken.

Meine Geschichte und mein Aufruf für zusätzliche Ressourcen, mediale Aufmerksamkeit und gemeinschaftliches Handeln sollen uns alle daran erinnern, dass Klimaschutz und Resilienz eine gemeinsame Verantwortung sind. Ich hoffe, dass mein kleiner Beitrag hilft, Mathare und letztlich die Welt zu einem besseren Ort für meine Tochter und andere junge Mädchen zu machen – eine Welt, die frei von Überschwemmungen und anderen der Klimakrise geschuldeten Katastrophen ist.

Herzlich
Beth

*Name zum Schutz der Person geändert

Logo Klimabrief. Auf einer grünen Briefmarke steht das Wort Klimabrief.

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