Keine Seltenheit: Brände in Geflüchtetencamps

Ein Großbrand in einem der dicht besiedelten Geflüchtetencamps in der Region Cox’s Bazar, Bangladesch, hat Ende März 2021 weitreichende Schäden angerichtet. Ein Großteil der betroffenen Menschen stammt aus Myanmar – viele Betroffene sind bereits vor Jahren vor politischer Verfolgung geflohen und harren seither in provisorischen Camps in Cox’s Bazar aus. Weder können sie in ihre Heimat zurückkehren noch bieten sich in Bangladesch echte Zukunftsperspektiven.

Knapp 50 ooo Menschen verloren durch den Großbrand ihre Unterkünfte und Habseligkeiten. Laut offiziellen Angaben kamen mindestens 15 Menschen in Folge des Feuers ums Leben – Hunderte wurden verletzt. Neben tausenden Wohnunterkünften wurden auch zahlreiche elementare Campeinrichtungen wie Krankenstationen, Schulen und Vorratslager zerstört. Die ohnehin schon prekäre Situation tausender Menschen hat sich durch den Großbrand drastisch verschlechtert. Der Großbrand wirkt sich auch unmittelbar auf die Versorgung der Menschen in den Camps aus: Die Gesundheitsversorgung, psychologische Betreuung, Bildungsangebote, Gemeinschaftsaktivitäten, Schutz und auch die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern sind eingeschränkt und können nur unzureichend oder zeitweise gar nicht gewährleistet werden.

Großbrände in Geflüchtetencamps sind keine Seltenheit

Derartige Großbrände in Geflüchtetencamps sind keine Seltenheit. Bereits im Januar 2021, wie auch im Mai 2020, wurden hunderte Behausungen in Geflüchtetencamps in Cox’s Bazar durch Feuer zerstört. Die öffentliche Wahrnehmung solcher Großbrände in Geflüchtetencamps ist häufig begrenzt und von kurzer Dauer. Größere mediale Aufmerksamkeit in Europa und vor allem in Deutschland gab es in jüngster Zeit in Folge des Großbrands im Geflüchtetencamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos im September 2020, als mehr als 12 ooo Menschen ihre Unterbringung und damit ihren gesamten Schutz verloren. Wie in Cox’s Bazar, war es auch in Moria in der Vergangenheit bereits mehrfach zu Großbränden gekommen: etwa im September 2019 und im September 2016, als jeweils mehrere tausend Menschen von Campbränden direkt betroffen waren.

Ausmaß und Anzahl derartiger Brände in Geflüchtetencamps werden bislang nur unzureichend erfasst und dokumentiert klar ist jedoch, dass es sich um ein häufig auftretendes Phänomen handelt. Die Häufigkeit von Großbränden in Geflüchtetencamps wird durch die präsentierte Übersicht von Ereignissen der letzten fünf Jahre verdeutlicht. Aufgrund der eingeschränkten systematischen Erfassung und Dokumentierung derartiger Großbrände geht die tatsächliche Zahl von Ereignissen dieser Art vermutlich über die hier dargestellte Übersicht hinaus. In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Häufigkeit von Bränden in Geflüchtetencamps deutlich gestiegen.

Warum kommt es so häufig zu Bränden in Geflüchtetencamps?

 Viele der heutigen Geflüchtetencamps wurden ursprünglich provisorisch errichtet und daher nur eingeschränkt geplant. In der Theorie sind Geflüchtetencamps primär dafür vorgesehen temporären Schutz zu gewähren. Aufgrund mangelnder Perspektiven und fehlender langfristiger Unterstützung durch die internationale Staatengemeinschaft verbringen viele Menschen jedoch häufig mehrere Jahre in Camps. Durch die weltweit wachsende Zahl an Schutzsuchenden müssen Camps häufig expandiert oder verdichtet werden, um mehr Menschen aufnehmen zu können. Der Mangel an Planung und Schutzvorkehrungen sowie die häufige Überschreitung der vorgesehenen Platzkapazität bedingt die Gefahr von Bränden in Geflüchtetencamps, da sich Feuer somit schnell und unkontrolliert ausbreiten und auf dicht an dicht gedrängte Unterbringungen übergreifen kann, ohne von Brandschneisen aufgehalten werden zu können. In Kutupalong, dem größten Geflüchtetencamp in Cox’s Bazar, leben auf einem Quadratkilometer etwa 40.000 Menschen – das entspricht der zehnfachen Bevölkerungsdichte Berlins. Zudem mangelt es häufig an einer gut ausgestatteten Feuerwehr und damit verbundenen Brandschutzvorkehrungen und Notfallplanungen, obwohl die Bevölkerungsgröße vieler Geflüchtetencamps derer mittlerer Großstädte gleichkommt.

Zwar existieren weitverbreitete und anerkannte Mindeststandards, etwa die Sphere Standards, um ausreichend Platz und somit mehr Brandschutz in Camps zu gewährleisten, jedoch werden diese Mindestanforderungen oft nur unzureichend eingehalten. So lebten vor dem Großbrand in Moria etwa 20.000 Menschen in dem ursprünglich für 3.000 Menschen vorgesehenen Geflüchtetencamps.

Neben der hohen Besiedelungsdichte vieler Geflüchtetencamps wird die Gefährdung durch Großbrände auch durch die verwendeten Baumaterialen bedingt. Häufig bestehen Unterkünfte aus leicht brennbaren Zelten und Stoffplanen. Der häufige Mangel an bereitgestellten Unterkünften bedingt zudem die behelfsmäßige Errichtung von Hütten bestehend aus Stroh, Holz oder auch Campabfällen ebenfalls leicht brennbare Materialen. Provisorische Stromleitungen und Beleuchtungsanlagen, offene Koch- und Feuerstellen sowie veraltete Benzinöfen zur Beheizung stellen ebenfalls gängige Risikoquellen für Campbrände dar.

Auch Brandstiftungen von Camp-Bewohner:innen haben in der Vergangenheit zu Großbränden geführt. Derartige Brandstiftungen sind teils eine Protestform der Bewohner:innen, um den miserablen Zuständen in den Camps, dem Platzmangel, der chronischen Unterversorgung und der vorherrschenden Perspektivlosigkeit Ausdruck zu verleihen. Camp-Bewohner:innen sind durch ihre Fluchterfahrungen häufig traumatisiert und in den Camps oft regelrecht gefangen. Auch gezielte Brandstiftung von Außenstehenden in Ablehnung der Camps hat in der Vergangenheit zu Großfeuern in Geflüchtetencamps und Notunterkünften geführt.

Die Konzentration auf die Frage, ob Brände in Geflüchtetencamps in erster Linie durch Unfälle, technisches Versagen, Unachtsamkeit oder Brandstiftung ausgelöst werden, ist jedoch kaum zielführend, da die tatsächlichen Brandursachen meist strukturell bedingt sind. Brände von katastrophalem Ausmaß, wie zuletzt in Cox’s Bazar oder in Moria im vergangenen Jahr, wären in dieser Form kaum denkbar, wenn Geflüchtetencamps ausreichend und angemessen geplant und ausgestattet wären, finanzielle Mittel für Brandschutz bereitgestellt und vor allem auf politischer Ebene entschlossen menschenwürdige, langfristige Lösungen erarbeitet werden würden. Letztlich mangelt es vor allem an politischem Willen von Staaten, eine angemessene Versorgung für Geflüchtete sicherzustellen und ihnen ihr Recht auf Asyl einzuräumen. Die Notunterbringung von Menschen in Geflüchtetencamps sollte niemals eine dauerhafte Lösung sein.

Die internationale Staatengemeinschaft darf sich nicht aus der Verantwortung ziehen

Das Recht von Geflüchteten, Asyl zu suchen und Schutz zu genießen, wird unter anderem durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Genfer Flüchtlingskonvention garantiert. Trotz der klaren Verpflichtungen der internationalen Staatengemeinschaft gegenüber Geflüchteten und Vertriebenen versuchen immer mehr Staaten Wege zu finden, sich ihrer Schutzverantwortung zu entziehen und Völkerrechtsabkommen nicht einzuhalten.

Seit einigen Jahren ist eine zunehmende Auslagerung von staatlicher Schutzverantwortung gegenüber Geflüchteten und Vertriebenen zu beobachten. Dieser Trend zeigt sich exemplarisch in Moria: Die Hauptverantwortung für die katastrophalen Zustände in Moria und das damit verbundene und bewusst hingenommene Brandrisiko liegt bei den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die seit Jahren ihrer Schutzverantwortung gegenüber Geflüchteten und Vertriebenen nicht hinreichend nachkommen. Statt Menschen in Not aufzunehmen und ihnen zu ermöglichen, sich echte Perspektiven aufzubauen, wird durch “Drittstaaten”-Lösungen, “Ankerzentren” oder den “EU-Türkei-Deal” systematisch ein System von Unzuständigkeitsstrukturen geschaffen, welches Staaten erlaubt, Asylansprüche zu umgehen. Durch die vorgeschobene Unzuständigkeit werden prekäre, sich laufend verschlechternde Zustände in Geflüchtetencamps bewusst begünstigt, ungeachtet der Entrechtung und Gefährdung der betroffenen Menschen.

Eine Trendumkehr hin zu mehr Initiative und Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft ist unabdingbar. Diesbezüglich bedarf es auch einer systematischeren Erfassung von politischen Verantwortlichkeiten und fairen Asylverfahren wie auch bessere Datenerfassung zur Brandschutzvorsorge.