Heuschreckenplage in Ostafrika: „Von Katastrophe zu Katastrophe“

In Ländern in Ostafrika herrscht eine der schlimmsten Heuschreckenplagen der letzten Jahrzehnte. Die Heuschrecken bedrohen Ernten und Weideland und gefährden die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. Matthias Späth, Landesdirektor der Welthungerhilfe für Äthiopien, beantwortet Fragen zur aktuellen Situation.

 

Welche Regionen sind von der Heuschreckenplage betroffen? Wie ist die aktuelle Lage?

Karte Länder Heuschreckenbefall

Matthias Späth: Bisher sind in Ostafrika Äthiopien, Somalia, Kenia und inzwischen auch Uganda betroffen. Weit entfernt in Südasien ist zudem Pakistan betroffen. Die Regierungen von Somalia und Pakistan haben bereits den Notstand ausgerufen. Heuschreckenschwärme alleine sind für die Bevölkerung vor Ort nichts Ungewöhnliches, aber das Ausmaß der Plage ist besorgniserregend.

 

Wie können wir uns diese Heuschreckenschwärme vorstellen?

Die Schwärme bestehen aus Millionen von Heuschrecken. Sie sind klebrig und das Zirpen ist wahnsinnig laut. Innerhalb weniger Minuten fressen sie alles kahl – Felder, Weideflächen und Bäume. Sie können am Tag bis zu 150 Kilometer zurücklegen und fressen täglich die Menge ihres eigenen Gewichts. Pro Schwarm entspricht das ungefähr der Menge Nahrungsmittel, um 35.000 Menschen zu ernähren.

 

Was sind Gründe für die Heuschreckenplage in diesem Ausmaß?

Im Zuge des Klimawandels haben in Ostafrika Wetterextreme in den letzten Jahren zugenommen. Auf extreme Dürreperioden folgten Starkregen und einhergehend Überschwemmungen. Der Regen und die Feuchtigkeit haben für ideale Brutbedingungen für die Heuschrecken gesorgt. Im warmen und feuchten Boden haben sie sich rasend schnell vermehrt.

Zusätzlich wurde versäumt, die Heuschrecken frühzeitig zu bekämpfen. Bereits im Sommer 2019 warnten UN-Organisationen vor den brütenden Heuschrecken in Ostafrika. Viele Länder reagierten zu spät auf die Warnungen, es mangelte an Geldern und Kapazitäten, um gegen die Heuschrecken schon im Brutstadium mit Vorsorgemaßnahmen vorzugehen und die massenhafte Vermehrung aufzuhalten.

 

Was sind Folgen der aktuellen Plage? Warum ist sie besonders gefährlich?

Die Heuschrecken treffen eine Region, in der die Ernährungssituation ohnehin schon extrem angespannt ist. Die Wetterextreme in den letzten Jahren haben die Situation verschärft. Die Verfügbarkeit von Grundnahrungsmitteln ist bereits eingeschränkt, Preise für Lebensmittel sind gestiegen. Auf die Wetterextreme folgen nun die Heuschrecken, für die Menschen vor Ort bedeutet es die nächste Katastrophe. Besonders dramatisch ist die Situation für die ländliche Bevölkerung, die von der Landwirtschaft lebt. Kleinbäuer*innen können ihre bestellten Felder kaum schützen, die Insekten stürzen sich auf die Ackerflächen mit Mais, Bohnen und Kohl, ganze Ernten drohen auszufallen. Für Viehhirt*innen sieht es ähnlich schlimm aus, sie finden kaum noch Weideflächen für ihre Tiere, Heuschrecken haben ganze Landstriche abgefressen.

Warum ist es so schwierig, der Heuschreckenplage entgegenzuwirken?

Die Heuschreckenschwärme sind außergewöhnlich groß. Sie haben teilweise einen Umfang von bis zu 60 Kilometer Länge und 40 Kilometer Breite, das entspricht circa der Fläche des Saarlandes. Diese Massen an Tiere so schnell einzufangen, wie sie zerstören, ist wahnsinnig schwierig. Die Länder verfügen nicht über die Ausrüstung, Schwärme in dieser Größenordnung zu bekämpfen und benötigen internationale Unterstützung.

In Somalia wird die Bekämpfung der Schwärme durch die schwierige Sicherheitssituation zusätzlich erschwert. Flächendeckende Aktivitäten gegen die Heuschrecken am Boden sind in dem gespaltenen, von Gewalt zerrütteten Land aus Sicherheitsgründen schlicht nicht möglich. Versuche der Bevölkerung, die Heuschrecken selbst mit Lärm und Rauch zu bekämpfen, sind leider wenig erfolgreich. Hinzu kommt, dass auch die Wahl des Mittels nicht ganz einfach ist. Pestizide aus der Luft töten nicht nur Heuschrecken, sondern auch Nützlinge.

Welche Maßnahmen sind jetzt zu empfehlen?

Um vor allem die weitere Vermehrung aufzuhalten, sind Vorsorgemaßnahmen nun elementar. Dazu sollten Gebiete ausfindig gemacht und beobachtet werden, in denen die Heuschrecken vor der Schwarmbildung noch als Einzelgänger unterwegs sind. Hier können dann biologische Schädlingsbekämpfungsmittel statt Pestiziden zum Einsatz kommen, die für Menschen, Tiere und Pflanzen weniger schädlich sind. Ohne Kontrollmaßnahmen und erfolgreiche Gegenmaßnahmen drohen sich die Heuschrecken in der Regenzeit bis zum Sommer weiter schnell zu vermehren.

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